Geschichten schreibt die Zeit

Hinter den Kulissen

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Geschichten schreibt die Zeit

Straßenbahnfahren damals und heute – im Gespräch mit Plauens ältestem ehemaligen Straßenbahnfahrer

Wenn die Fahrer Wind und Wetter trotzen und die Gleise plötzlich verschwinden: Horst Hausknecht erinnert sich an seine Zeit bei der Plauener Straßenbahn.

Der 90-Jährige war von 1954 bis zu seinem Ruhestand 1993 als Straßenbahnfahrer in der Spitzenstadt unterwegs, davon 20 Jahre als Fahrlehrer. Anlässlich des 130-jährigen Bestehens der Straßenbahn in Plauen erzählt er von seiner bemerkenswerten Lebensgeschichte und seiner Leidenschaft zur Straßenbahn. Als junger Mann versuchte er sich in verschiedenen Berufen. Nach Abstechern als Dekorationsmaler und Lackierer, Fotolaborant und Weber, entschied er sich im Jahr 1954 bei der Straßenbahn anzufangen. Es folgten 39 Berufsjahre voller bleibender Erinnerungen.

Horst Hausknecht erzählt …

Ein Morgen, wie jeder andere – oder doch nicht?

Horst Hausknecht trat wie gewohnt seinen Dienst an einem frühen Morgen an. Damals wurden alle Ankündigungen noch am Schwarzen Brett ausgehängt und alles schien seinen gewohnten Gang zu gehen. Auch die Fahrtanweisung enthielt nichts, was darauf hindeutete, dass diese Fahrt anders enden sollte.

Die Straßenbahn ratterte gemächlich in Richtung Endhaltestelle Preißelpöhl, alles lief reibungslos. Unterwegs gab es keine Warnschilder oder Sperrungen, keine Hinweise auf das, was gleich passieren würde. Es waren keine Passagiere an der Endhaltestelle zu sehen, also fuhr er weiter. Plötzlich ertönte ein lauter Knall, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krachen und Quietschen. Die Bahn rumpelte und neigte sich zur Seite. Da, wo vorher Gleise verliefen, war auf einmal nichts mehr. Da eine Bahn ohne Gleise bekanntlich nicht fahren kann, landete diese mit Schwung auf der Seite.

Herausgeklettert kam ein äußerst verwirrter Horst Hausknecht, Fahrgäste waren glücklicherweise nicht an Bord. Wenn Sie sich fragen, wie das passieren konnte: An diesem Tag wurden die Gleise neu verlegt, doch man hatte vergessen, den Fahrer darüber zu informieren oder Warnschilder aufzustellen. Und so konnte das Unglück seinen Lauf nehmen.

Und was tat Horst Hausknecht daraufhin? Er stieg aus, klopfte sich sein Jackett ab und begann zu Fuß zurück zum Straßenbahndepot zu laufen, um seine Vorgesetzten über den Vorfall zu informieren. Die Bahn wurde später geborgen und abgeschleppt.

Eine wahre Rarität – die Lady „21“

Wenn Sie aufmerksam durch Plauen laufen, haben Sie sie vielleicht schon gesehen: die Straßenbahn „21“. Eine wahre Lady und eine historische Rarität, mit offener Fahrerkabine und seitlichen Holzbänken im Passagierabteil. Die Fahrer mussten noch die ganze Schicht stehen und peitschendem Wind, gleißender Sonne und eisigen Wintern trotzen. Damals waren die Winter kälter, oft bis zu -24 Grad.

Horst Hausknecht lief früher auch bei den kältesten Schneestürmen die 4 km bis ins Straßenbahndepot. Erst schwitzte er im dicken Wintermantel und dann musste er, nass wie er war, in der offenen Bahn stehen.

Eine Hochzeit mal anders

Die schönste Geschichte ereignete sich in eben jener Bahn „21“. Am Tag der Hochzeit mit seiner damaligen Verlobten, auch Straßenbahnfahrerin, wurden beide völlig überraschend mit der Straßenbahn „21“ abgeholt.

Was war das für ein Aufsehen, als eine Braut, ganz in weiß am Steuer stand und das Hochzeitsgefährt die Bahnhofstraße entlangfuhr! Die Menschen am Straßenrand waren verblüfft. Noch nie hatte man so etwas gesehen. Alle eingehenden Anfragen, ob sie dies auch tun dürften, mussten leider abgelehnt werden: dies war und ist eine Besonderheit.

Die Straßenbahn im Wandel

Heute feiert die Straßenbahn ihr 130-jähriges Jubiläum und kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Am 17. November 1894 eröffnete der erste Streckenabschnitt zwischen dem Oberen Bahnhof und dem Neustadtplatz. Seitdem wurden weitere Streckenabschnitte hinzugefügt, die erste Wagenhalle fand damals ihren Platz am Theaterplatz, später folgte die Eröffnung des Betriebshofs in der Wiesenstraße und die Modernisierung der Strecken.

Horst Hausknecht erinnert sich, dass es früher weniger Regelungen, aber auch viel weniger Bahnverkehr gab. Damals konnten sich nur Wohlhabende eine Bahnfahrt leisten. Die Straßenbahn ist moderner geworden. Heute sind alle durch die Straßenbahn und die StadtBusse mobil.

Horst Hausknecht blickt gerne auf seine Zeit bei der Plauener Straßenbahn zurück. Straßenbahnfahrer war und ist sein Traumberuf. Damals wie heute begeistert der Beruf junge Menschen und vereint Technik mit selbstständigem Arbeiten und dem direkten Kundenkontakt. Wenn Sie oder jemand in ihrer unmittelbaren Umgebung eine Berufung und vielseitige Tätigkeit suchen: Straßenbahnfahrer werden immer gesucht!

„130 Jahre PSB“-Chronik

Wer mehr über die Geschichte der Plauener Straßenbahn erfahren möchte, dem ist die neue Chronik zum Jubiläum „130 Jahre Plauener Straßenbahn“ zu empfehlen. Die Chronik ist im „Servicepunkt der Plauener Straßenbahn“ in Plauen am Tunnel zum Preis von 19,90 Euro erhältlich.