„Ein rotes Feuerwehrauto steht auf einem Feld. Davor Feuerwehrleute mit Pferd bei einer Übung.
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Zwischen Feuer und Verantwortung Gemeinsam stark im Ehrenamt – Blaulicht verbindet

Ehrenamt braucht Helfer

Es ist Freitagabend in Hammerbrücke. Vor dem Feuerwehrgerätehaus sammeln sich die ersten Kameraden. Die Stimmung ist ruhig, aber konzentriert. Heute steht eine besondere Übung auf dem Plan: Großtierrettung.

Nach einer kurzen Besprechung geht es auf den Bauernhof der ansässigen Tierärztin. Sie nimmt alle mit auf die eigene Weide. Die Feuerwehrmänner lernen, wie man mit Kühen und Pferden umgeht, wie sie getrieben werden und wie sie in Paniksituationen reagieren. Solche Szenarien sind nicht alltäglich, aber es passiert immer wieder – sei es ein Pferd, das in Panik gerät, in den Graben rutscht und nicht allein aufstehen kann, oder eine brennende Scheune.

Michael Roß, Ortswehrleiter der Feuerwehr Hammerbrücke, beobachtet aufmerksam. Er wirkt ruhig, doch man merkt sofort: Er ist da, wenn es darauf ankommt. „Ich bin nicht in die Feuerwehr gegangen, weil ich als Kind davon geträumt habe. Ich kam erst nach der Schule dazu. Ich wollte etwas tun, das Sinn macht.“ Seitdem hat er unzählige Einsätze erlebt – Brände, Sturmschäden, Tierrettungen – und immer wieder Menschen beruhigt und ihnen Hoffnung gegeben. Das gehört dazu.

Einer dieser Einsätze hat sich tief eingebrannt. Es war ein kalter, trüber Herbsttag. Ein Holztransporter war von der Fahrbahn abgekommen und rammte einen PKW. Das Bild, das sich den Rettenden bot, war katastrophal: Das Auto komplett zusammengeschoben, der Fahrer war eingeklemmt und schwer verletzt. Eigentlich eine Situation, die nur wenig Zuversicht zulässt – ausweglos, hier noch jemanden lebend zu bergen. Michael Roß war mit seinen Kameraden vor Ort. Er war einer der Ersten am Autowrack. „Einer der Kameraden hat dem Verunglückten die ganze Zeit zugeredet, seine Hand gehalten, während das hydraulische Gerät arbeitete. Wir wussten nicht, ob er uns noch hörte, wussten nicht, ob es noch Hoffnung gibt.“ 

Einige Monate später, beim Adventsmarkt im Ort, bei dem auch viele Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Muldenhammer versammelt sind, kommt es zu einem Wiedersehen: Ein Mann kommt auf Krücken auf sie zu – er ist derjenige, den die Feuerwehrmänner und -frauen gerettet haben, von dem sie dachten, jede Rettung käme zu spät. Und jetzt steht er da: der junge Mann auf dem Weg der Besserung. Die Kameraden waren tief berührt. „Er hat sich bedankt. Wir waren alle so überrascht, wir wussten gar nicht, was wir sagen sollten. Das war so ein Moment, der für immer in Erinnerung bleibt. Und solche Momente zeigen mir, wie wichtig mein Job ist und wie viel es mir, uns, immer wieder zurückgibt“, sagt Michael Roß.

Ein Ehrenamt, das das Leben prägt

Die Feuerwehr ist für Michael Roß längst mehr als nur ein Ehrenamt. Sie ist Teil seines Lebens. Zwischen Beruf, Familie und Freizeit findet er immer wieder aufs Neue den Raum für die große Verantwortung. „Meine Frau trägt das alles mit. Ohne sie würde das nicht funktionieren. Wenn der Melder piept, muss ich los, egal ob beim Abendbrot oder im Garten. Sie hört mir zu, wenn es ein harter Einsatz war, sie ist mein absoluter Rückhalt.“

Und das Piepen kommt nicht selten. Die ehrenamtlichen Einsatzkräfte tragen ihre Funkmeldeempfänger rund um die Uhr. Kommt ein Alarm, lassen sie alles stehen und liegen – im Supermarkt, auf der Arbeit oder beim Kindergeburtstag. Binnen 8 Minuten müssen sie an der Wache sein, um mit voller Ausrüstung auszurücken.

Ihr Alltag ist mitunter schwer planbar. Michael Roß arbeitet als Chemiemeister in der kosmetischen Industrie, leitet zusätzlich die Ortswehr, betreut die Ausbildung, organisiert Jugendfeuerwehr-Treffen und hält Kontakt zur Gemeinde und zum Landkreis. Er ist auch ABC-Fachberater für atomare, biologische und chemische Gefahren – eine Zusatzausbildung, die kaum einer kennt, aber im Ernstfall Leben retten kann. All das neben seinem eigentlichen Beruf und in seiner Freizeit. Ein Einsatz, der viel mehr Anerkennung bedarf. Denn dieses Ehrenamt gewährleistet die Absicherung in den Gemeinden, in denen keine Berufsfeuerwehr zum Einsatz kommt.

„Warum ich das mache? Weil es zählt. Weil ich helfen kann. Weil es Menschen wie uns braucht.“ Michael Roß, Ortswehrleiter Feuerwehr Hammerbrücke

Wenn der Piepser geht und man eigentlich auf der Arbeit ist

Wer sich im Ehrenamt engagiert – bei der Feuerwehr, beim THW, beim DRK oder der Johanniter-Unfall-Hilfe – steht oft vor der Frage: Was passiert im Job, wenn ich zu einem Einsatz muss? Wenige wissen: Bei Einsätzen während der Arbeitszeit greift ein gesetzlicher Schutz. Arbeitgeber können den Lohnausfall über die Gemeinde geltend machen; der Verdienstausfall wird erstattet. „Aber wenn das Werkstück nicht fertig wird, wird’s nicht fertig“, sagt Kreisbrandmeister Gerd Pürzel. Gerade kleine Betriebe kommen ins Schwitzen, wenn spontan jemand ausfällt. 

Gerd Pürzel wirbt um Verständnis und um klare Absprachen. Viele Betriebe im Vogtland tragen das mit, andere zögern noch. Ein positives Beispiel ist die Firma Golle Zelte & Planen GmbH, bei der ein großer Teil der Belegschaft in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv ist und die Einsätze mitträgt. Gerd Pürzel setzt sich für einen gesellschaftlichen Konsens ein: Ehrenamt darf kein Hindernis sein. Es sollte stolz machen und unterstützt werden.

Gerd Pürzel ist im Landratsamt zuständig für Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz. Ihm ist klar: Ohne das Ehrenamt funktioniert im ländlichen Raum gar nichts.„Wir haben keine flächendeckende Berufsfeuerwehr. Das Rückgrat sind unsere freiwilligen Kräfte. Punkt.“ Die Freiwilligen decken den Großteil des abwehrenden Brandschutzes sowie der technischen Hilfe ab und sorgen für schnelle Hilfe bei Bränden, Unfällen und Unwettern.

Damit das so bleibt, braucht es eine gute Ausbildung. In Eich ist deshalb das neue Brand- und Katastrophenschutzzentrum entstanden – als Ort für Training, Zusammenarbeit und Wertschätzung. „Wir wollen beste Ausbildungsbedingungen schaffen und niemanden ausschließen. Deshalb halten wir die Kosten niedrig, besonders für kleine Gemeinden.“ Moderne Schulungen, realitätsnahe Übungsanlagen, kurze Wege: Wer im Training wie im Ernstfall handelt, ist für den Notfall gut gerüstet.

Ein besonderer Baustein ist das FloBIZ – das Florian-Bildungszentrum für Kinder und Jugendliche, Schulklassen und Kitas. Dort beginnt der Weg: mit Brandschutzerziehung, einfachen Experimenten, Bastelstationen und echter Ausrüstung zum Anfassen. So wächst Begeisterung von klein auf. Und wer einmal erlebt hat, wie Teamarbeit im Einsatz funktioniert, geht in die Kinder- und Jugendfeuerwehren, später in die Einsatzabteilungen oder zu Partnerorganisationen wie DRK und THW.

Rollende Helden – eine neue Kampagne wirbt für das Ehrenamt

Daniel Löwenhagen, Leiter der Geschäftsstelle des Kreisfeuerwehrverbands, setzt besonders auf die Nachwuchsgewinnung. Mit einer frischen Kampagne bringt der Verband das Ehrenamt wortwörtlich auf die Straße. Zwei Schulbusse, gestaltet im Comicstil, zeigen echte Einsatzkräfte aus dem Vogtland. Helden mit Helm und Herz. Mit der Botschaft: „Sei mit dabei! In einem starken Team. Retten – Löschen – Bergen – Schützen. Unterstütze Deine örtlichen Rettungskräfte im Ehrenamt.“

„Wir wollten etwas, das auffällt. Aber auch etwas, das ehrlich ist. Deshalb haben wir keine Models genommen, sondern unsere Leute. Menschen, die in Reichenbach, Adorf oder Klingenthal den Schlauch ausrollen, retten und schützen.“

Daniel Löwenhagen war selbst lange Jugendfeuerwehrwart. Er kennt die Sorgen, aber auch die Euphorie. „Das Leuchten in den Augen der Kinder, wenn sie das erste Mal mit einem Schlauch und Strahlrohr in der Hand eine Übung machen, ist unbezahlbar.“